Beschlossene Stadtstrategie führt für eine wachsende Stadt in die Sackgasse

23.02.2023
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In der Ratsversammlung vom 23.2. hat eine Mehrheit gegen die Stimmen von CDU und FDP sowie bei einigen Enthaltungen eine neue städtische Strategie beschlossen, die aus Sicht der CDU-Fraktion in wesentlichen Punkten zum Nachteil der Flensburgerinnen und Flensburger sein wird: "Suffizienz" und "Netto-Null-Versiegelung".

In der Debatte brachte Ratsherr Joachim Schmidt-Skipiol diese Punkte zur Sprache:

"Der Begriff „Suffizienz“ ist nicht Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs und macht daher die Strategie schwer lesbar. Doch dies ist der geringste Teil unserer Bedenken gegenüber diesem Begriff.

„Suffizienz“ kommt ursprünglich aus der Medizin (lat. „sufficere“ = ausreichen, genügen) und bedeutet, dass ein Organ ausreichend funktioniert. In der Soziologie ist der Begriff nicht klar definiert, wird aber in der Sozialökologie dennoch mehr und mehr verwendet; ein Zitat aus Wikipedia dazu: „Der Begriff wird im Sinne der Frage nach dem rechten Maß sowohl in Bezug auf Selbstbegrenzung, Konsumverzicht oder sogar Askese, aber auch Entschleunigung und dem Abwerfen von Ballast gebraucht.“

Die Verharmlosung des Begriffs Suffizienz als quasi synonym mit „Nachhaltigkeit“ wird durch unsere Diskussion bei der Klausurtagung im Januar widerlegt – sonst könnte man ja Nachhaltigkeit schreiben und bräuchte das sperrige Fremdwort in der Strategie nicht. Es geht hier um Umerziehung einer in manchen Kreisen als bockig und nicht nachhaltig genug angesehen Bevölkerung durch diejenigen, die ganz genau zu wissen glauben, wie man richtig zu leben und zu konsumieren hat. Nicht ohne Grund haben wir den Begriff Suffizienz bisher in allen Ratsbeschlüssen vermieden. Eine Strategie, die diesen Kampfbegriff aus dem Werkzeugkasten der Öko-Fundies zu einem Ziel der Stadtentwicklung macht, wird von der CDU nicht mitgetragen.

Die  Netto-Null-Versiegelung bedeutet konkret, dass für jeden Quadratmeter, der neu versiegelt wird, ein anderer Quadratmeter entsiegelt werden müsste. Das gilt für alle Bauprojekte – nicht nur die Projekte von privatwirtschaftlichen Unternehmen, deren Gewinnmaximierungsstreben von manchen sowieso mit Argwohn betrachtet wird – es gilt eben auch für Bauprojekte der Stadt. Wir sind gespannt auf die Argumentation, wenn bei der nächsten Schulerweiterung, beim Neubau der Hauptfeuerwache, bei den anderen zu bauenden Feuerwachen der Freiwilligen Feuerwehren, etc. als zusätzlicher Kostenfaktor auftaucht, dass eine Fläche x zu entsiegeln ist. Oder – noch schlimmer – dass eine  versiegelte Brache erst teuer angekauft werden muss, damit man sie entsiegeln kann. Oder am Ende: das öffentliche Bauvorhaben stockt, weil man partout keine Fläche findet, die in wirtschaftlich vertretbaren Rahmen als Ausgleich entsiegelt werden kann.

Dann wird die Absurdität dieser Formulierung offensichtlich werden und die Ratsversammlung wird sich ganz schnell einigen müssen, in diesem Fall eben von dieser Vorgabe abzuweichen - und die Stadtstrategie ist sehenden Auges für den Mülleimer geschrieben worden.

Auch der Hinweis auf ein Flächenmanagement, das es schon richten werde, führt hier nur begrenzt weiter – wir haben dieses Flächenmanagement noch nicht und selbst wenn wir es irgendwann einmal eingeführt haben, müssen die zu entsiegelnden Flächen nach wie vor erst einmal gefunden werden.

Damit kein falscher Zungenschlag aufkommt: wir stehen hinter den Zielen der Bundesregierung zum sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit unversiegelten Flächen – diese Ziele wurden mehrfach angeschärft, zuletzt mit dem Ziel von unter 30 Hektar täglicher Neuversiegelung auf Bundesebene. Das ist eben NICHT Netto-Null, sondern es bedeutet auf Flensburg bezogen, das ja gut 1 Tausendstel der Deutschen Bevölkerung umfasst, dass der Flächenverbrauch 300 qm täglich nicht überschreiten dürfte – für schnelle Rechner: das wären mehr als 10 Hektar jährlich. Das hört sich ganz anders an als „Netto-Null“…

Vielleicht könnte man mit Flächenzertifikaten arbeiten und natürlich ist Flächenrecycling ein Thema, aber die harte Vorgabe Netto-Null wird bereits kurzfristig nicht zu halten sein und führt für eine weiter wachsende Stadt in die Sackgasse.

Wir kennen die Argumentation, man müsse hier visionär denken, einen Idealzustand definieren, wohl wissend, dass der nicht komplett erreichbar sei, etc., etc.

Aber dann sprechen wir nicht von einer Strategie, sondern von einer Utopie.

Das Beharren auf den Formulierungen „Suffizienz“ und „Netto-Null“ atmet förmlich das Bestreben, möglichst für alle Zeiten die Durchsetzung der eigenen ideologischen Überzeugungen festzulegen – also das tiefe Misstrauen gegenüber zukünftigen Ratsversammlungen, ob sie wohl in der Lage seien, bei ihren jeweiligen Beschlüssen all die hehren Grundsätze umzusetzen, die aus aktueller ideologischer Sicht gerade en vogue sind.

Ja, es wird schade sein, wenn ein maßgebliches strategisches Papier der Stadt nicht von einer umfassenden Mehrheit der Ratsversammlung getragen wird – aber dies alleine kann für die CDU kein Grund sein, wider besseres Wissen als falsch verstandene Inhalte mitzutragen."