Standpunkt zu Flensburgs politischer Verfasstheit

28.08.2020
Beitrag

„Liebe Flensburger*innen, wir haben der Oberbürgermeisterin und den Ratsmitglieder*innen (sic!) nicht die Vollmacht erteilt, wichtige Themen und Projekte ohne vorherige Abstimmung mit uns Bürger*innen zu entscheiden.“

So äußert sich die Bürgerinitiative Flensburger Hafen e.V. in einer flächendeckend gestreuten Mail. Völlig ungeachtet der dann folgenden (legitimen) Kritik an Vorhaben-Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltung stellt sich bei einem solchen Statement durchaus die Frage, ob seine Verfasser eigentlich wissen, wie unsere Demokratie funktioniert.

Zur Erinnerung: wir leben in einer repräsentativen Demokratie, in der die auf Zeit gewählten Repräsentanten der Wahlberechtigten  -  in diesem Fall die Mitglieder der Flensburger Ratsversammlung  -  sehr wohl „eine Vollmacht erteilt“ bekamen, „wichtige Themen und Projekte … zu entscheiden“. In welcher Art bei manchen Themen, insbesondere im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, Bürger einzubeziehen und ihre Argumente anzuhören sind, ist gesetzlich geregelt und diese Regelungen wurden sowohl im Zusammenhang mit den Planungen zum Entwicklungsgebiet Hafen-Ost und dem Hafenumzug, wie auch beim Bahnhofshotel auf das Genaueste befolgt.

Zusätzlich hat es sich die Kommunale Selbstverwaltung in Flensburg schon vor langer Zeit zur Aufgabe gemacht, vor der gesetzlich vorgeschriebenen Auslegung der Pläne bereits eine gesonderte Bürgerinformation durchzuführen, bei der alle Interessierten ihre Fragen stellen und Kommentare anbringen können  -  das sogenannte „Flensburger Verfahren“. Auch diese Informationsveranstaltungen wurden in beiden o.a. Fällen durchgeführt  -  beim Hafen-Ost waren es sogar mehrere.

Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, „ohne vorherige Abstimmung mit uns Bürgern“ entschieden zu haben. Vielmehr scheint es so zu sein, dass es eine Minderheit gibt, die nicht ertragen kann, nach Abwägung aller Argumente und Interessen (und nicht nur unter Berücksichtigung ihrer Partikularinteressen) mit ihren Ansichten zu unterliegen. Herrscht also nur dann Demokratie, wenn den Befindlichkeiten einer bestimmten Interessengruppe nachgegeben bzw. gefolgt wird? Oder geht es nicht gerade bei der repräsentativen Demokratie darum, dass die Gesamtheit aller Interessen in der Stadt  -  also durchaus verschiedenster Bevölkerungsgruppen, daneben die Wirtschaft, die Ökologie, etc.  -  von den gewählten Repräsentanten der Wahlberechtigten, die ja ein durchaus breites politisches Spektrum abdecken, abgewogen und schließlich zu einer Mehrheitsentscheidung geführt werden?

Wer glaubt, Demokratie herrscht nur dann, wenn er selbst Recht bekommt, beweist ein sehr seltsames Verständnis unserer Rechtsordnung und politischen Verfasstheit.

Joachim Schmidt-Skipiol
CDU-Ratsherr und planungspolitischer Sprecher der Fraktion