Sebastian Iwersen
Rede des Stadtpräsidenten Hannes Fuhrig anlässlich der Kundgebung für Frieden in Flensburg, 27.02.2022:
Seit Donnerstag Morgen ist nichts mehr, wie es einmal war. Was sich niemand von uns vorstellen konnte, wurde auf einmal zu einer bitteren absurden Realität: Krieg mitten in Europa, Krieg nicht unweit von unser Haustür!
Lange Zeit konnte ich es mir vorstellen. Das war zu Zeiten des Kalten Krieges, in denen ich als ehemaliger Stabsoffizier der Bundeswehr viele Jahre im vordersten Luftverteidigungsgürtel und damit häufig in hoher Alarmbereitschaft eingesetzt war. Damals haben wir in Deutschland ständig mit der latenten Gefahr eines 3. Weltkrieges gelebt, der unter Umständen auch mit atomaren Waffen auf deutschem Boden ausgefochten worden wäre und der uns zum Glück erspart geblieben ist.
Dann kamen Glasnost, Perestroika und Mauerfall und seit 1989 konnten wir uns mehr als 30 Jahre über Frieden und Freiheit in Europa freuen. Statt gegenseitiger Bedrohung standen friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit zwischen West und Ost im Vordergrund. Demokratie, Rechtsstaat und liberale Marktwirtschaft sollten in ganz Europa triumphieren. Einen mi-litärischen Konflikt mitten in Europa konnte ich mir seitdem nicht mehr vorstellen – und damit war ich sicherlich nicht allein!
Doch schon die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im Jahre 2014 erschütterte die geopolitische Struktur und Ordnung Europas gewaltig. Mit dem massiven Angriff auf die benachbarte Ukraine setzt Russland nun seit Donnerstag erneut und mit Vorsatz und Kalkül kaltblütig brutale militärische Gewalt ein, um Grenzen in Europa zu verschieben. Aggressiver Nationalismus und Militarismus sind damit fast 77 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges zurück auf der politischen Bühne in Europa.
Dieser eklatante Bruch des Völkerrechts tritt die territoriale Integrität und die Souveränität eines freien Landes mit Füßen, gefährdet die Stabilität von ganz Europa und setzt damit die Unverletzlichkeit von Grenzen und damit die gesamte internationale Ordnung aufs Spiel. Die Auswirkungen werden wir auch in Deutschland, in Schleswig-Holstein und hier in Flensburg spüren (Stichworte: Flüchtlinge, Energieversorgung und –preise, Cyber-Attacken, Wirtschaft und Handel, sozialer Wohlstand,…). Doch Freiheit und Frieden sind wichtiger als Euro und Dollar.
Und wir werden erkennen und akzeptieren müssen, dass sichere Grenzen und sichere Lebensentwürfe in Freiheit leider nicht selbstverständlich und der Normalfall der Geschichte sind, sondern die kostbare Ausnahme, die es immer wieder zu bewahren und zu verteidigen gilt.
Hier und heute kann nicht der Ort sein darüber zu philosophieren, wie es zu dem ersten Angriffskrieg in Europa seit dem Überfall Hitlers auf Polen am 1. September 1939 kommen konnte, welche politische, diplomatische, wirtschaftliche oder auch militärische Maßnahmen nun die Richtigen sind und wie die internationale Gemeinschaft in Zukunft ein für alle Mal Kriege auf unserem kostbaren Planeten verhindern kann. Denn Kriege kennen keine Sieger. Kriege verursachen Not und Elend, Schmerz, Leid und Trauer. Krieg vernichtet Leben. Krieg zerreisst Familien. Kriege sind keine Lösung – im Gegenteil: Kriege schaffen nur neue Probleme! Kriege sind Wahnsinn, und wer sie verursacht, ist – ja lassen Sie mich das so deutlich sagen – ein Wahnsinniger!
Was wir aber hier und heute tun können, ist der ukrainischen Bevölkerung unsere uneingeschränkte Solidarität und unser aufrichtiges Mitgefühl zu bekunden. Wahrscheinlich können wir es uns nur ansatzweise vorstellen, was unsere Mitmenschen dort derzeit erleben und durchmachen müssen, wie ängstlich und verzweifelt sie sein müssen. Die schrecklichen Bilder aus der Ukraine sprechen für sich und sind zugleich unerträglich.
Und was wir auch tun können, ist, uns auf die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge vorzubereiten und sie mit offenen Armen zu empfangen.
Wir können Organisationen unterstützen, z.B. durch Spenden, die der Zivilgesellschaft in der Ukraine helfen.
Wir können uns um ukrainische Mitbürger und Mitbürgerinnen kümmern, die hier leben und sich um ihre Familien und ihre Heimat sorgen.Und wir können fest an der Seite der Ukraine und ihrer gesamten Bevölkerung stehen und sie in ihrem unbändigen Freiheitswillen unterstützen.
Und das tun wir nicht zuletzt auch dadurch – und darüber freue ich mich sehr -, dass heute so viele Menschen dem Aufruf der überparteilichen Europa-Union Flensburg und der Europäischen Bewegung SH zu dieser Kundgebung für Frieden gefolgt sind.
Lassen Sie uns gemeinsam an Wladimir Putin appellieren:
Beenden Sie diesen verhängnisvollen und folgenschweren Krieg! Beenden Sie diesen Wahnsinn! Geben Sie einem freien Land seine Integrität, seine Selbstbestimmtheit und seine Souveränität zurück – und das sofort, ohne weiteres Blutvergießen!
Und lassen Sie mich mit folgender Botschaft an die ukrainische Bevölkerung unsere Solidarität bekunden:
Wir bewundern und unterstützen Sie in ihrem Freiheitswillen. Wir trauern mit Ihnen um die viel zu vielen Toten, Verwundeten , zerrissenen Familien und sonstige Opfer dieses sinnlosen Krieges. Bleiben Sie stark und zuversichtlich! Flensburg steht fest an Ihrer Seite und wünscht Ihnen alles Gute und viel Kraft und Mut in diesen schwierigen Zeiten.
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